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Gemini verändert die Google-Suche – und gefährdet damit das offene Internet

Mit dem Einzug fortschrittlicher KI-Technologien wie Gemini verändert Google nicht nur seine Suchfunktion, sondern auch den Informationsfluss im Internet. Foto: © Bendix / stock adobe

Die Google-Suche durchläuft derzeit einen Wandel, der weitreichende Folgen für die gesamte Online-Landschaft hat. Mit dem Einzug fortschrittlicher KI-Technologien wie Gemini verändert Google nicht nur seine Suchfunktion, sondern auch den Informationsfluss im Internet.

Durch die neue Funktion „AI Overviews“ liefert Google Nutzern auf Basis von Gemini automatisch generierte Antworten auf ihre Suchanfragen – noch bevor sie eine Website überhaupt besuchen. Diese Entwicklung zielt zwar auf eine vereinfachte, schnellere Nutzererfahrung ab, stellt jedoch eine potenzielle Bedrohung für die Betreiber von Webseiten dar.

Denn: Je umfassender und präziser die KI-Antworten, desto weniger Klicks bleiben für die Originalquellen. Und mit sinkendem Traffic geraten ganze Geschäftsmodelle ins Wanken.

Die KI hinter der neuen Suchlogik: Was Gemini wirklich macht

Gemini, Googles multimodales KI-Modell der neuesten Generation, ist dafür konzipiert, verschiedene Arten von Daten – darunter Texte, Bilder, Audio und Video – zu analysieren, miteinander zu kombinieren und kontextbezogene Antworten zu liefern.

Die damit eng verbundene Funktion „AI Overviews“ erscheint bei vielen Suchanfragen oberhalb der gewohnten Ergebnisliste. Dort präsentiert die KI bereits vollständig formulierte Antworten, die auf bestehenden Inhalten aus dem Web basieren. Nutzer erhalten auf diese Weise komprimiertes Wissen, ohne weiterklicken zu müssen. Das spart Zeit – entzieht jedoch den Quellwebseiten die Sichtbarkeit und vor allem den so wichtigen organischen Traffic.

Spürbare Folgen: Wenn Klicks ausbleiben

Seit der Einführung der AI Overviews melden zahlreiche Publisher einen drastischen Einbruch ihrer Besuchszahlen. Besonders kleine bis mittelgroße Webseiten, die sich über Werbeeinnahmen oder Affiliate-Marketing finanzieren, spüren die Auswirkungen unmittelbar.

Wie aus einem Artikel des Magazins t3n hervorgeht, berichten Betreiberinnen von Trafficverlusten zwischen 40 und 70 Prozent. Die US-Bloggerin Morgan McBride etwa verzeichnete innerhalb eines Monats einen Rückgang um mehr als zwei Drittel – nachdem ihre Inhalte prominent in den neuen KI-Antworten aufgetaucht waren.

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Auch Gisele Navarro, Betreiberin des Blogs Housefresh, beklagt, dass zwar Inhalte übernommen, aber kaum noch angeklickt werden. In der Konsequenz brechen Einnahmen weg, redaktionelle Ressourcen werden knapp, und die langfristige Existenz vieler Seiten steht infrage.

Einseitige Transparenz und fehlende Kontrolle

Ein zentrales Problem liegt in der mangelnden Nachvollziehbarkeit und Einflussnahme für Publisher. Webseitenbetreiber haben derzeit weder Einblick noch Kontrolle darüber, wann, wie und in welchem Kontext ihre Inhalte in den KI-Überblicken erscheinen.

Die Auswahl der Quellen bleibt für Außenstehende undurchsichtig. Obwohl Google einige Publisher im Oktober 2024 zu einem Austausch eingeladen hat, blieben konkrete Zusagen oder Schutzmechanismen für Inhaltsproduzenten aus. Die derzeitige Praxis läuft auf eine einseitige Verwertung fremder Inhalte hinaus – ohne garantierte Gegenleistung in Form von Klicks, Sichtbarkeit oder Umsatzbeteiligung.

Wer verliert besonders stark?

Besonders problematisch ist die Situation für Betreiber von Nischenportalen mit speziellem Fachwissen – etwa aus den Bereichen Reise, DIY, Kochen, Gesundheit oder Finanzen. Diese Seiten leben von detaillierten Inhalten, langen Verweildauern und thematischer Autorität.

Doch genau diese hochwertigen Inhalte eignen sich besonders gut für die Zusammenfassung durch die KI. Falls die relevanten Informationen bereits in der Google-Oberfläche dargeboten werden, besteht für viele Nutzer kein Grund mehr, die Quelle zu besuchen, obwohl die Webseitenbetreiber teilweise viel Geld und Energie in SEO-Maßnahmen stecken. Das Resultat: Sichtbarkeit und Interaktion sinken, obwohl der Beitrag zur Beantwortung der Suchanfrage signifikant ist.

Das offene Web im Ungleichgewicht

Die Auswirkungen dieser Entwicklung reichen über individuelle Webseiten hinaus und betreffen das gesamte Ökosystem des offenen Internets. Lange Zeit funktionierte dieses System auf Basis eines stillschweigenden Austauschs: Inhalte wurden bereitgestellt, Suchmaschinen katalogisierten und verwiesen auf diese Inhalte, Nutzer riefen sie auf – eine symbiotische Beziehung.

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Doch sobald Suchmaschinen beginnen, Inhalte so zu nutzen, dass sie auf der eigenen Plattform verbleiben, verschiebt sich das Gleichgewicht. Google profitiert weiterhin vom Wissen der Publisher, doch die Publisher selbst verlieren an Sichtbarkeit und Einfluss. Damit wird das Web, wie es über Jahrzehnte gewachsen ist, in seiner Vielfalt gefährdet.

Welche Handlungsoptionen bleiben?

Die Herausforderungen sind deutlich – doch es existieren auch Strategien zur Reaktion. Eine Möglichkeit besteht darin, Inhalte so aufzubereiten, dass sie besser als zitierfähige Quelle innerhalb der AI Overviews wahrgenommen werden. Strukturierte Daten, semantische Markups und präzise, gut lesbare Formulierungen können dabei helfen.

Parallel dazu gewinnt die Unabhängigkeit vom Google-Traffic an Bedeutung. Der Aufbau eigener Reichweitenkanäle – über Newsletter, soziale Medien, Communities oder Podcasts – kann helfen, die Abhängigkeit zu reduzieren. Zusätzlich sind rechtliche und politische Debatten notwendig: Wie weit darf die Nutzung fremder Inhalte durch KI-Systeme gehen? Wo beginnt der Schutz geistigen Eigentums im Zeitalter automatisierter Informationsbereitstellung?

Fazit

Googles Integration von Gemini und die damit verbundene Bereitstellung von KI-generierten Antworten direkt in den Suchergebnissen stellen eine tiefgreifende Zäsur dar. Die Nutzererfahrung wird effizienter, doch die Geschäftsgrundlagen vieler Webseiten werden erschüttert.

Publisher verlieren Sichtbarkeit, Einnahmen und Einfluss – obwohl sie es sind, die die Inhalte liefern, auf denen die KI ihre Antworten aufbaut. Ohne ein faires und transparentes Miteinander zwischen Plattformbetreibern und Inhaltserstellern droht das offene Web, an Vielfalt und Funktionalität zu verlieren.

Es braucht klare Leitlinien, offene Diskussionen und neue Denkweisen, um sicherzustellen, dass das Internet auch künftig ein Ort bleibt, an dem hochwertige Inhalte entstehen – und gewürdigt werden.

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Verfasst von Hajo Simons